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Gemeinsam Kultur erleben - die Kulturbegleitung macht vieles möglich

16.10.2024
Mehrere Menschen mit Kopfhörer spielten "Stille Post" mit Lippenlesen

Was bedeutet Kulturbegleitung?

Kulturbegleitung ist in der Region Südwestfalen noch ein neuer Begriff. Er bedeutet, dass Menschen ohne Behinderung und mit Behinderung gemeinsam kulturelle Angebote wahrnehmen. Susanne Boecking vom Kulturreferat Südwestfalen möchte diese Möglichkeit gerne in der Region etablieren und hat für Interessierte eine Veranstaltung gemeinsam mit KSL-Expert*innen organisiert. Noch ist nicht klar, ob und in welcher Form die Kulturbegleitung angeboten wird und wie die Vermittlung erfolgt.

Beim ersten „Einführungskurs für Kulturbegleiter*innen und solche die es werden wollen“, zu dem sich am Freitag, 11.Oktober Interessierte im Dunkelcafé in Siegen trafen, wurde darüber nachgedacht, wie Hürden für einen gemeinsamen Kulturgenuss von Menschen mit und ohne Behinderung aus dem Weg geräumt werden können

Iris Colsmann vom KSL Düsseldorf erläuterte Begriffe, die im Zusammenhang mit kultureller Teilhabe stehen: Exklusion, Inklusion, Integration. Inklusion beschreibt die Teilhabe an allem, was innerhalb der Gesellschaft passiert, ohne dass besondere persönliche Anpassungen dafür erforderlich sind.

Guter Umgang miteinander

Im Bereich der Kommunikation zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen gibt es auf beiden Seiten Unsicherheiten. Die Gruppe trug wichtige Aspekte zusammen zu einem kleinen „Knigge“:

Am Anfang steht immer das gegenseitige Kennenlernen. Sowohl Begleitung als auch Begleitete haben verschiedene Interessen, jeder hat persönliche Grenzen, was man sich zumuten möchte und was nicht, inhaltlich oder vom Aufwand her betrachtet.

Gemeinsame Unternehmungen beginnen mit offenen Fragen, die es jedem ermöglichen, sich frei zu entscheiden: „Möchtest Du…?“  „Wie möchtest Du…?“ „Was brauchst Du?“

Ansonsten heißt es vor allem: Mensch sein. Mit gegenseitigem Verständnis und Empathie. Kulturbegleitende sollen zwar prinzipiell mitdenken, was jeweils nötig ist. Aber es sollte immer zuerst abgeklärt werden, wie viel Hilfe jemand wünscht. Menschen mit Behinderungen haben sich oft ihre Selbständigkeit hart erkämpft. Und das Schieben eines fremden Rollstuhls ohne Absprache ist tabu. Manches, was aus purer Höflichkeit geschieht, kann als Mitleid missdeutet oder übergriffig empfunden werden. Andererseits ist es für Menschen mit Behinderung auch manchmal anstrengend, immer wieder auf die gleichen Fragen antworten zu müssen, die aus Unsicherheit von Menschen ohne Behinderungen gestellt werden.

Es bedarf auf jeden Fall einiger gegenseitiger Geduld und einer gewissen Fehler-Toleranz.

Das Sensi-Pro-Team des KSL -MSI-NRW gab weitere konkrete Tipps. Eine Sensibilisierungseinheit mit Anna Cebulla und Julian Rohlfing machte Aspekte von Gehörlosigkeit und Sehbehinderungen erfahrbar. Die Gruppe war mit viel Spaß bei der Sache.

Basis für gemeinsame Unternehmungen

Susanne Boecking gab anhand des „Servicekette-“ Modells von „Kubia“ (Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im Alter und inklusive Kultur), eine Schritt für Schritt-Anleitung zur Organisation einer kulturellen Unternehmung.

Wieviel Vorarbeit jemand in den gemeinsamen Kulturbesuch steckt ist allerdings auch davon abhängig, ob diese Aufgabe ehrenamtlich übernommen wird, und dem beiderseitigen Vergnügen dient, oder ob sie ihm Rahmen einer Freizeitassistenz durch das persönliche Budget finanziert und damit zur Berufstätigkeit wird.

Christiane Rischer vom KSL Arnsberg erklärte, wie das Persönliche Budget auch für den Besuch von Kulturveranstaltungen oder zur Freizeitgestaltung allgemein genutzt werden kann. Im Grunde geht es bei der Beantragung eines Persönlichen Budgets darum, festzustellen was möchte der Mensch mit Behinderung, wozu benötigt er es und was kostet es.

Der Versuch einer Definition: Die Kulturbegleitung kann, wenn die Anforderungen niedrig sind, ehrenamtlich erfolgen. Wenn mehr Umsicht und Verantwortungsübernahme gefragt ist oder die Kulturaktivitäten nicht in beiderseitigem Interesse ausgewählt werden, dann wird es eine klare Dienstleistung = Teilhabeleistung im Rahmen des Persönlichen Budgets.

Ehrenamtliche Kulturbegleiter*innen in NRW sind durch die Haftpflicht- und Unfallversicherung für Ehrenamtliche abgesichert. Selbständig tätige Kulturbegleitende müssen selbst für ihre Absicherung sorgen. Ein bereits erfolgreiches Projekt aus Siegen stellte Annette Damm als Projektmitarbeiterin von KULTUR:live der AWO Siegen-Wittgenstein/Olpe vor: Hier werden Freikarten für Kulturevents an bedürftige Menschen verteilt.

Die Rolle der Kulturorte und Veranstaltenden

Es wurde im Verlauf der Veranstaltung deutlich, dass die Kulturbegleitenden nicht allein für das Gelingen eines schönen gemeinsamen Erlebnisses zuständig sein können. Kulturorte und Kulturveranstaltende tragen einen großen Teil der Verantwortung dafür, dass ihre Veranstaltungen barrierefrei nutzbar sind. Diese Aufgabe können die Kulturbegleitenden ihnen nicht abnehmen.

Es gibt mancherorts bereits gute Ideen, wie Kultur barrierefrei allen zugänglich gemacht werden kann: mit dreidimensionalen Ausstellungen im Internet, mit Audioguides, durch Führungen mit Gebärdensprachdolmetschern, durch Infos in Leichter Sprache.

Bildbeschreibung: Bei der Sensibilisierungsübung hatten alle Teilnehmenden viel Spaß. Sie setzten Kopfhörer auf und versuchten, sich gegenseitig in einer Stillen Post einen vorgegebenen Satz von den Lippen abzulesen. Foto: KSL Arnsberg