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„Wir müssen uns mehr Zeit nehmen, um die komplexen Probleme zu verstehen“

09.11.2022
Dr. Jörg Stockman

„Gleichwertige Versorgung von Menschen mit Einschränkungen gelingt nur, wenn besondere Anstrengungen unternommen werden“, unterstrich Dr. Jörg Stockmann, Chefarzt und Leiter der Klinik für Inklusive Medizin am Evangelischen Krankenhaus Hagen-Haspe, im Rahmen eines Netzwerktreffens von Behindertenbeauftragten aus Städten und Kreisen des Regierungsbezirks Arnsberg. Eingeladen dazu hatte das KSL Arnsberg Anfang November in das Kulturzentrum Bürgerbahnhof Arnsberg. Das Thema Inklusive Gesundheitsversorgung gehört zu den Arbeitsschwerpunkten der Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL) in NRW, zu denen das KSL Arnsberg gehört.

Das Angebot richte sich vor allem an Menschen mit geistiger und schwerer mehrfacher Behinderung, führte Dr. Stockmann weiter aus. Die Station sei auch für andere Menschen, die von der besonderen Ausstattung profitieren, offen. Es gibt 18 Betten in 14 Einzelzimmern und zwei Doppelzimmern. Angehörige oder Assistenzpersonal können mit aufgenommen werden. Es gibt mehr Pflegekräfte als auf anderen Stationen (z. B. nachts immer zwei Nachtwachen). Patienten mit Orientierungsstörung können nicht unbemerkt die Station verlassen. Die Station liegt ruhig in einem Nachbargebäude des Krankenhauses. Sie ist mit einem Tunnel mit dem anderen Teil des Krankenhauses verbunden.

„Menschen mit Behinderung sollen eine Gesundheitsversorgung auf demselben Niveau wie alle Bürgerinnen und Bürger ohne Behinderung bekommen“, verwies Dr. Stockmann auf den Artikel 25 UN-Behindertenrechtskonvention. „Daraus folgt, dass Menschen mit Behinderung einen barrierefreien Zugang zu medizinischen Angeboten benötigen.“  Auf normalen Stationen fehle häufig medizinisches Wissen zu den oft speziellen medizinischen Problemen der Betroffenen. So gebe es in der Regel keine oder nur wenig Expertise im Umgang mit Kommunikationshindernissen. Das komplexe Betreuungsumfeld werde auch oft nicht verstanden und zu wenig gehört. Bei den Profis ergebe sich daraus das Gefühl der Überforderung, was nicht selten zu Abweisung, vorzeitiger Entlassung oder Unterlassung indizierter Behandlungen führen könne.

„Das bedeutet zunächst, dass wir uns mehr Zeit nehmen müssen, um die komplexen Probleme zu verstehen“, sagte Dr. Stockmann. „Wir brauchen mehr Fachexpertise, barrierefreie Räumlichkeiten und mehr technische Unterstützung. Darüber hinaus müssen diagnostische Prozesse und Therapien auf die oft individuellen Bedürfnisse der Patienten abgestimmt werden.“

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung gab das Team des KSL Arnsberg weitere Einblicke in seine Arbeitsschwerpunkte. Abschließend tauschten die Behindertenbeauftragten Erfahrungen aus ihrem Arbeitsalltag aus. Das nächste Treffen dieses Formats findet im ersten Quartal 2023 statt. Thema wird dann voraussichtlich „Digitale Barrierefreiheit“ sein.

Das Foto zeigt Dr. Jörg Stockmann bei seinem Vortrag. Foto: KSL Arnsberg