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Theater für alle!

25.03.2025
Chantal Priesack und Dorit Remmert sitzen im Zuschauerraum eines Theatersaales

Am Kinder- und Jugendtheater (KJT) Dortmund gibt es ein Inklusionsbüro, das seit November 2023 engagiert daran arbeitet, das Theater für alle zugänglich zu machen. Das dortige Team von drei engagierten Inklusions-Managerinnen-Team besteht aus: Vivien Birkner (sie war beim Fototermin leider nicht anwesend und fehlt daher auf den Fotos), Chantal Priesack und Dorit Remmert. Sie haben schon einiges bewirkt- obwohl sie von „fast Null auf Hundert“ gestartet seien, so Chantal Priesack. Angefangen von der Sensibilisierung für ihr Thema über bauliche- und Inventarfragen bis hin zur Ausarbeitung von Konzepten zur Audiodeskription und zur Gebärdensprachdolmetschung (DGS).

Auf der Webseite https://www.theaterdo.de/kjt/inklusiv/ sorgen sie mit detaillierten Informationen dafür, dass Besucher*innen sich vorab über die Zugänglichkeit der Theaterräume und den barriereärmste Weg von der U-Bahn ins Theater informieren können. In nicht allzu ferner Zukunft soll das KJT in einen Neubau neben dem Opernhaus ziehen: bei den Planungen zum Thema Barrierefreiheit wurden Chantal Priesack und Vivien Birkner einbezogen. Ein barrierefreier Zugang zu allen Räumen ist daher vielversprechende Zukunftsmusik. 

Am jetzigen Standort Sckellstraße sind das Erdgeschoss für Menschen im E-Rolli gut zugänglich und das Untergeschoss mit dem Theatercafé bedingt: über einen Treppenlifter (Maximalgewicht 245 kg). Die Räume im Obergeschoss sind nicht barrierefrei zugänglich. Das Inklusionsteam widmete sich also machbaren Verbesserungen: Im großen Bühnenraum wurden neue Stühle angeschafft. Dadurch wurden im Zuschauerraum zehn Plätze für Rollstuhlfahrende gewonnen.

Theater entspannt 

Für Menschen, die eine entspannte, reizarme Atmosphäre benötigen, wurde im kleinen Bühnenraum und dem Theatercafé das Angebot „Theater entspannt- Relaxed Performance“ eingerichtet, bei dem die Türen zum Theatersaal offenbleiben und das Licht nur leicht gedimmt wird. Das Publikum soll größeren Bewegungsspielraum haben, darf liegend zuschauen, sich leise unterhalten oder in das Theatercafé gehen und wieder zurückkommen. Hinweise auf sensible Inhalte und sensorische Reize zu allen Aufführungen des Schauspiels Dortmund und des KJT, können übrigens für alle aktuellen Stücke gesammelt auf einer Unterwebseite des Theaters Dortmund nachgelesen werden: Sensible Inhalte: Theater Dortmund 

Das Konzept „Theater entspannt“ funktioniere nur in enger Abstimmung mit den Schauspielenden, so Chantal Priesack, da vorher abgesprochen werden müsse, wie laut es denn sein darf, damit diese nicht von ihrem Spiel abgelenkt werden. So die Inklusions-Managerinnen. Und es zeigen sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Eigentlich dürften bei entspannten Aufführungen nur die Hälfte der Theaterkarten vergeben werden- dann fehlt aber auch die Hälfte der Einnahmen.

Die Arbeit der Inklusionsmanagerinnen eröffnet dem Kinder- und Jugendtheater aber auch ein erweitertes Publikum: Durch gezielte Ansprache verschiedener Schulen für Kinder mit Förderbedarfen und Marketing über verschiedene Kanäle konnten neue Besucher*innen gewonnen werden: Aus Soest, Düsseldorf oder Köln besuchen teilweise ganze Schuljahrgänge die inklusiven Aufführungen am KJT. Dorit Remmert und Chantal Priesack freut es: Neulich hätten Schüler im Alter von zwölf Jahren zum ersten Mal ein Theaterstück gesehen. Damit werde diesen jungen Menschen eine neue Welt eröffnet, sind sich die beiden sicher.

Die Inklusionsmanagerinnen Dorit Remmert - links und Chantal Priesack - rechts mit Perücken, die beim aktuellen Theaterstück von Schauspielenden getragen werden.
Dorit Remmert (li) und Chantal Priesack mit Perücken, die für die nächste Aufführung bereitstehen.

 

Künstlerisch integrierte Audiodeskription

Am 24. März feierte ein besonderes Theaterstück „doppelte“ Premiere am KJT, „Das Gewicht der Ameisen.“ Das Stück des kanadischen Autors David Paquet ist neu ins KJT- Programm aufgenommen worden und es hat in Dortmund ein neues Konzept der Audiodeskription bekommen: Bei dieser besonderen, künstlerisch integrierten Form der Audiodeskription wird die Beschreibung der Bilder nicht separat auf einen Tonträger eingesprochen und per Smartphone-App über Kopfhörer abgehört, sondern es gibt live auf der Bühne die gleichen kreativ beschreibenden Texte für alle: Ein Schauspieler erzählt das, was an wichtigen Details und Vorgängen nicht über den Text transportiert wird. Alle im Saal bekommen die gleichen Informationen. Regisseurin Annette Müller hat dafür extra ein zweites Drehbuch angefertigt.  Und neben den Inklusionsmanagerinnen war auch Johannes Willenberg vom Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen e.V. beratend an der Umsetzung beteiligt. Diese Art des Schauspielens mit Beschreibungen habe eine sehr künstlerische Wirkung, hat das Publikum nach der Premiere zurückgemeldet. Niemand denkt beim Zuschauen zuerst an Inklusion.

Ideal bei einem Theaterstück: „Wenn die inklusiven Elemente nicht als Anhängsel einer fertigen Produktion wahrgenommen werden, sondern wenn sie von Anfang an mitgedacht werden und sich in die Inszenierung einfügen“, so Dorit Remmert. In der nächsten Spielzeit möchten sie daher noch früher entscheiden, welches Stück sich für welche Zielgruppen eignet. Schließlich sei Theater eine Kunstform, die von einem Zusammenspiel von Schauspielenden, Text, Ton, Kulissen und Licht lebtergänzt Chantal Priesack.

Tastführungen

Vor jeder Aufführung mit Audiodeskription wird Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, die sich vorab angemeldet haben, eine Tastführung angeboten. So können haptische Eindrücke von Requisiten oder auch von einem kleinen Modell der Bühnenkulisse dazu beitragen, dass nicht sehende Menschen sich ein vollständigeres Bild vom Theaterstück machen können. Wenn sie beispielsweise vorher über die Pailletten des Meerjungfrauenkostüms streichen dürfen, oder das plüschige Kostüm eines Seehundes fühlen können. 

Chantal Priesack ertastet die Pailletten eines Meerjungfrauenkostüms, das Dorit Remmert hochhält.
Chantal Priesack ertastet die Pailletten eines Meerjungfrauenkostüms aus der aktuellen Produktion.

Inklusive Gastspielreihe

Zusätzlich zu den eigenen Produktionen wurde die Gastspielreihe „Mix it!“ ans KJT geholt. In diesem Rahmen werden Produktionen gezeigt, bei denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam auf der Bühne stehen. Verschiedene künstlerische Formate ermöglichen gute Zugänge für verschiedene Zielgruppen. Wenn beispielsweise im Rahmen der inklusiven Reihe "Mix it!" der Performer Jan Kress auftritt, wird er ganz ohne Sprache auskommen. Stattdessen bedient er sich bunter Klebestreifen, besonderer Lichteffekte und Pantomime. "Otto Augenmerk taped kunterbunt" heißt sein Stück, das bereits für Kinder ab vier Jahren geeignet ist. Vor allem junge Menschen ab vier Jahren mit Hörbehinderung werden profitieren. Sie können das Stück ganz ohne Hilfsmittel ansehen wie alle übrigen Zuschauenden. Auch Kinder mit anderen Lernmöglichkeiten werden dieses Stück sicher sehr genießen. Allerdings sind in diesem Fall die Menschen mit Sehbeeinträchtigungen deutlich im Nachteil, für sie dürfte es keinen Sinn machen, diese Aufführung zu besuchen.

Ein Stück für alle anpassen?

Ein Stück kann auf verschiedene Weisen an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen angepasst werden, dennoch sind die Anforderungen so vielfältig, dass auch die engagierten Inklusionsmanagerinnen an Grenzen stoßen. Chantal Priesack meint, wenn alle Bedarfe in einem Stück erfüllt werden müssten, würde anschließend wohl der künstlerische Ausdruck fehlen.

Es helfe zu reden und zu sagen, was man braucht. Darauf würden sie mit ihren Möglichkeiten eingehen. „Es gibt nicht die Lösung für alles, man muss in dem Moment überlegen, wie können wir es für alle gut machen?“ 

Einfache Sprache

Im Bereich der Einfachen Sprache wird noch nach guten Konzepten gesucht: Bisher gibt es für Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten und auch für Menschen mit geringen Sprachkenntnissen zu einigen passenden Stücken bereits eine Zusammenfassung in Einfacher Sprache.  

Ein Stück, dass auch für Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten geeignet sei, solle idealerweise eine einfache Handlungsabfolge haben, eine lineare Erzählweise in Einfacher Sprache und vieles über optisch über Gesten und Mimik ausdrücken.  So die Überlegungen. Sogar bei der Gastspielreihe „Mix it!“ sei es schwierig, alle diese Bedingungen zu erfüllen, denn es werden im Rahmen der Förderung Anforderungen an die Professionalität der inklusiven Teams gestellt, die nicht alle Teams erfüllen.

Inklusiver Workshop

Am Theater gibt es bislang noch keinen inklusiven Spielclub für Kinder und Jugendliche, der vielleicht ein solches Stück erarbeiten könnte. Aber für die Herbstferien ist ein mehrtägiger inklusiver Theaterworkshop am KJT geplant. Ein weiterer Schritt hin zu einem Kinder- und Jugendtheater für alle.

Hinweis

Die Arbeit der Inklusionsmanagerinnen wird durch die Förderung von anderthalb Stellen über „Neue Wege. Kommunale Orchester und Theater NRW“ ermöglicht, vorerst befristet bis zum Sommer 2026. Die Mittel dafür werden vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW (MKK NRW) in Zusammenarbeit mit dem NRW KULTURsekreteriat zur Verfügung gestellt.

Hier finden Sie ein Interview, das Lisa Vössing vom KSL Münster mit der Inklusionsagentin Ann-Kathrin Hickert am Theater Münster geführt hat. https://www.ksl-nrw.de/de/node/6548

 

Chantal Priesack - links - und Dorit Remmert auf dem gemütlichen Sofa im Inklusionsbüro.

Chantal Priesack ( li) und Dorit Remmert auf dem gemütlichen Sofa ihres Inklusionsbüros.

In der laufenden Spielzeit gibt es noch diese inklusiven Angebote am KJT:

Aufführungen, zu denen eine Audiodeskription und eine Tast-Führung angeboten wird

„Der Zauber von OZ“, empfohlen ab 8 Jahren. 

  • Dienstag, 27.Mai um 11Uhr (ausverkauft)
  • Dienstag, 8. Juli um 11 Uhr
  • Mittwoch, 9. Juli um 11 Uhr
  • Donnerstag, 10. Juli um 11 Uhr

Auf der Website des KJT kann man sich mithilfe einer ausführlichen Audioeinführung schon zu Hause in das Stück hineindenken.

„angst oder hase“, empfohlen ab 12 Jahren

Dieses Stück wird aufgeführt am:

  • Mittwoch, 25. Juni, 11 Uhr,
  • Donnerstag, 26. Juni, 11 Uhr

Die Audioeinführung stimmt bereits vorher auf das Stück ein. Auch zu diesem Stück wird bei entsprechender Anmeldung vorab eine Tastführung angeboten.

„Das Gewicht der Ameisen“, empfohlen ab 12 Jahren,

Es wird gezeigt am:

  • Dienstag, 1. April, 11 Uhr
  • Dienstag, 8. April, 11 Uhr
  • Mittwoch, 9. April, 11 Uhr
  • Mittwoch, 14. Mai, 11 Uhr
  • Donnerstag, 15. Mai, 11 Uhr
  • Dienstag, 17. Juni, 11 Uhr
  • Mittwoch, 18. Juni, 11 Uhr
  • Dienstag, 1. Juli, 11 Uhr
  • Mittwoch, 2. Juli, 11 Uhr

    Für Menschen mit Höreinschränkungen steht in dieser Spielzeit ein Gastspiel der Reihe „Mix it!“ auf dem Programm

„Otto Augenmerk taped kunterbunt“, mit Performer Jan Kress auf der Bühne. Empfohlen für taube und hörende Kinder ab 4 Jahren.  Es steht bei diesen Angeboten eine Gebärdensprachdolmetschung zur Verfügung, besagt das Signet zweier gebärdender Hände.

  • Sonntag, 6. April, 16 Uhr
  • Montag, 7. April, 10 Uhr

    Ein weiteres Angebot ist „Relaxed Performance – Theater entspannt“ 

Aktuell ist das Stück „Unterm Kindergarten“, empfohlen ab 4 Jahren, in der entspannten Theaterversion zu sehen.  Die Termine für diese Aufführungen sind:

  • Dienstag, 29. April, 10 Uhr
  • Dienstag, 13. Mai, 10 Uhr
  • Freitag, 16. Mai, 10 Uhr
  • Mittwoch, 28. Mai, 10 Uhr
  • Montag, 30. Juni, 10 Uhr

    Fotos: Beim Interviewtermin war Vivien Birkner leider verhindert, daher sind auch nur Chantal Priesack und Dorit Remmert auf den Fotos zu sehen.

    https://www.theaterdo.de/kjt/startseite/