
„Wie ich bin, bin ich gut“: Die Qualifizierung für zertifizierte Peer-Beratende startet am Samstag, 24. Mai 2025 wieder bei KOBI in Dortmund
Im Bereich der Beratung für Menschen mit Behinderung spielen Peers, also Menschen mit einer Beeinträchtigung, deren Angehörige oder Unterstützende eine wesentliche Rolle. In den EUTB® (Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung), oder KoKoBe (Koordinierungs-Kontakt- und Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen) beraten beispielsweise häufig Peers. In Werkstätten oder Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen fungieren sie als Werkstatträte oder Ansprechpartner. Es gibt noch einige weitere Einsatzmöglichkeiten. Maren Zebrowski vom KSL Arnsberg hat kürzlich die Qualifizierung mit Zertifikat abgeschlossen und erläutert: „Der Vorteil einer Peer-Beratung ist, dass ich meine Erfahrung mit anderen Menschen mit Behinderung teilen kann. Dass ich merke, dass andere auch schon diese Erfahrungen gemacht haben- seien sie positiv oder negativ. Man fühlt sich also in der Beratung dadurch vielleicht auch besser verstanden. Beratung ist ein Prozess, eine Begleitung. Und durch Fragen soll die ratsuchende Person zu Lösungsansätzen kommen. Dadurch entsteht Empowerment im Bereich Behinderung.“
Wie kam es zu den Peer-Qualifizierungen
Ellen Romberg ist eine der beiden Leiterinnen der Qualifizierung. Als Diplom Sozialarbeiterin (KFH) hat sie viele Jahre in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderungen gearbeitet. Danach wechselte sie als Projektleiterin zum KSL Köln.
Zeitgleich absolvierte sie eine Weiterbildung zur Systemischen Beraterin DGSF und als der Landschaftsverband Köln beim KSL anfragte, ob dort eine Peer-Qualifizierung für Menschen aus Projekten angeboten werden könne, hat sie dies umgesetzt. Nach ihrem Eintritt in die Rente wollte Ellen Romberg gerne weiter in diesem Bereich tätig sein. Sie hatte bereits ihre Mitstreiterin Martina Bünger kennengelernt, für die Zusammenarbeit in der Peer-Qualifizierung engagiert, und schätzte deren großartige Ideen und ihre Fähigkeit, eigene Erfahrungen mitzuteilen.
Martina Bünger war als Projektleiterin für transnationale Projekte 60-70 Stunden pro Woche für einen Bildungsträger tätig. Dann erkrankte sie im Alter von 43 Jahren zum ersten Mal und mit 49 Jahren ein zweites Mal an Brustkrebs. Mit 50 Jahren wäre sie an einer schweren Meningitis fast gestorben. Und: „Mit 50 habe ich mich entschieden zu kündigen und meine Kompetenzen zu leben - was für ein Glück!“ Nach 19 Jahren als Angestellte den Schritt in die Selbständigkeit zu gehen, war ein Wagnis, aber es bedeutet für sie, heute zwar viel weniger Geld zu haben, aber dafür mehr Glück zu empfinden.
Beide Frauen beschlossen, gemeinsam auf der Basis ihrer Erfahrungen ein neues Qualifizierungsangebot zu entwickeln. Es sollte vor allem allen Menschen mit Behinderungen/psychischen Erkrankungen offenstehen, und auch ihren Angehörigen. Ellen Romberg hat festgestellt, dass die Kenntnisse aus dem Bereich der systemischen Beratung auch für Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten in beratenden Funktionen anwendbar und hilfreich sind. Ihre Kollegin Martina Bünger hat die Ausbildung zur Systemischen Coachin ebenfalls durchlaufen. Darüber hinaus ist sie seit 35 Jahren WenDo-Trainerin. Ihr Schwerpunkt bei der Qualifizierung sind daher Wahrnehmungsübungen, Körpersprache, Grenzen setzen und Systemische Beratungsmethoden.
Vieles passierte bei den beiden zunächst auf der Basis: „Gucken wir, ob es funktioniert“. Mittlerweile ist das Konzept ausgereift. Die Weiterbildung besteht aus 72 Unterrichtsstunden, die verteilt auf zwölf Samstage im Zeitraum von anderthalb Jahren und jeweils zwischen 10 und 16 Uhr in den barrierefreien Räumlichkeiten von KOBI in Dortmund an der Adlerstraße 81-83 stattfinden.

Strukturen für gute Beratung erarbeiten
Die Qualifizierung ist ausdrücklich eine Beratungsausbildung, in der sich Teilnehmende die Strukturen für eine gelingende Beratung erarbeiten. Die Lerninhalte fangen bei der Gestaltung der Beratungssituation an, vermittelt werden dann auch Fragetechniken sowie Kommunikationsmodelle für die Gesprächsführung und die Themen hören bei dem systemischen Denken in Lösungen noch lange nicht auf. Konkrete Beratungsinhalte wie rechtliche Aspekte sind dagegen kein Thema der Qualifizierung. Sie wären auch nicht für alle Teilnehmenden dieselben. Ellen Romberg hat im Rahmen eigener Peer-Beratungen oft erlebt, dass die einfache Frage nach Unterstützungsangeboten schnell in viel tiefer gehende Gespräche führte.
Tod, Trauer und Sterben seien beispielsweise Themen, die nicht selten in der Beratung angesprochen würden. Beratende sollen daher in der Peer-Qualifizierung lernen, mit Themen, denen sie begegnen gut umzugehen.
Unter dem Motto „Wie ich bin, bin ich gut!“ setzen sich Teilnehmende mit der eigenen Behinderung/chronischen Erkrankung auseinander. Das Erkennen eigener Stärken aber auch eigener Grenzen ist ein wichtiger Teil der Qualifizierung.
Persönlichkeiten entwickeln sich
Ellen Romberg hat festgestellt, dass viele Teilnehmende im Lauf des Kurses sichtbare Veränderungen durchlaufen: „Man sieht in ihrem Gesicht, an der Körperhaltung die Veränderungen. Das ist großartig. Sie treten anders auf, sind lockerer, wirken freundlicher. Dadurch gehen sie ganz anders in eine Beratung.“ Auch Martina Bünger hat beobachtet: „Die Menschen gehen einen Meter größer aus der Qualifizierung raus. Sie sind sehr stolz und das ist für alle Beteiligten ein großes Glück“. Eine neue Gruppe sei zu Beginn sehr aufgeregt: Viele fragten sich zu Beginn, ob sie das schaffen. Schon am ersten Tag legen die Trainerinnen die Grundlage für eine offene Atmosphäre in der Gruppe. Die Teilnehmenden erfahren immer wieder Ermunterung durch die Trainerinnen, die jede auf ihre Art eine große Begeisterung für ihre Arbeit vermitteln. In der Gruppe sollen alle das ausdrücken können, was sie empfinden. Beispielsweise gab es einen jungen Teilnehmer, der mit Angststörungen zu kämpfen hatte. Er konnte sich nicht vorstellen jemals eine Abschlussarbeit zu erstellen. „Ich kann immer etwas tun“ ist die Überzeugung von Martina Bünger. Eine Abschlussarbeit kann schließlich unterschiedlichste Formen haben. Letztendlich hat der junge Mann den anderen Gruppenmitgliedern seine Ängste und wie er mit ihnen umgeht geschildert und daraus seine Abschlussarbeit gemacht. Da er in seinem Wohnheim außerdem so für einige Veränderungen gesorgt hat, bekam er im Anschluss an die Qualifizierung sogar einen Job von der Lebenshilfe angeboten.
„Die Mischung der Gruppen macht’s“, ist sich Ellen Romberg sicher: Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen oder deren Angehörige lernen, auch mit anderen Behinderungen umzugehen. Ellen Romberg ist es besonders wichtig, alle dort abzuholen, wo sie stehen. Und auch zu schauen, wohin der Weg führt. Beratungsinhalte würden beispielsweise unter den Menschen, die in Wohneinrichtungen leben, nicht nur verbal weitergegeben. Beratende lebten ihren Mitbewohnenden etwas vor, das sei viel aufschlussreicher für Leute von außen.
Neben Ellen Romberg und Martina Bünger konnten drei Gastreferenten für die Weiterbildung gewonnen werden: Christoph Tacken, der die Themenbereiche Behinderung und die Bedeutung eigener Ressourcen beleuchtet. Hans Bernd Hagedorn, Klinikseelsorger und Theologe bringt den Teilnehmenden den schwierigen Themenbereich Tod, Trauer und Sterben auf eine leichte Art näher. Dr. Peter Bünder lehrt die Grundlagen systemischer Beratung. Und Roland Schüler hat ein Mediationsmodell für Menschen mit Behinderungen erfunden, mit dem er im Kurs arbeitet.
Bei der Finanzierung sind Ideen gefragt
Eine große Hürde für die Teilnahme an der Peer-Qualifizierung sei leider der Preis, wissen die Kursleiterinnen. In Dortmund kostet die Teilnahme 1250 Euro. Aber es gebe Möglichkeiten, die eigenen Kosten durch Fördergelder zu reduzieren. Der Weiterbildungsträger KOBI sei außerdem zu Gesprächen über Ratenzahlungen bereit. Immerhin laufe die Fortbildung über anderthalb Jahre. Martina Bünger und Ellen Romberg helfen auch bei der konkreten Ideensuche zur Finanzierung, wenn Interessierte sich an sie wenden. Beispielsweise zahlen in manchen Fällen Arbeitgebende die Kursgebühr, in anderen übernehmen Krankenkassen die Kosten, manchmal das Inklusionsamt oder LVR /LWL. Ein Fördergesuch bei einer Stiftung kann ebenfalls helfen.
Wer sich für die Qualifizierung interessiert, aber unschlüssig ist, ob sie passt oder wie eine Finanzierung gelingen kann, dem sei die unverbindliche Online-Infoveranstaltung über Zoom am Mittwoch, 12. März von 17.30 bis 19 Uhr empfohlen. Eine Anmeldung ist erforderlich. Alle Infos hier:
https://www.kobi.de/unsere-seminare/berufliche-kompetenz-und-arbeitswel…;
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Fotos: Martina Bünger