Die Unsicherheit der nicht-invasiven Bluttests wird nicht ausreichend erklärt, kritisieren die Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Außerdem werde mit diesem Vorgehen werdenden Familien das medizinische Modell von Behinderungen nahegelegt, das die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen außer Acht lässt. Für die Entwicklung eines ethisch und menschenrechtlich tragfähigen Umgang mit pränatalen Suchtests sei es wichtig, auch Menschen mit Behinderungen und ihre Familien in ein entsprechendes Gremium einzubeziehen.
Die entsprechende Pressemitteilung:
Die Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen
betonen in einem gemeinsamen Positionspapier die dringende Notwendigkeit eines umfas-
senden und menschenrechtskonformen Monitorings der nicht-invasiven Pränataltests
(NIPT). Sie unterstützen damit den Beschluss des Bundesrats sowie den inhaltsgleichen
interfraktionellen Antrag aus der Mitte des Bundestags und konkretisieren die aus ihrer
Sicht notwendigen Anforderungen an ein solches Monitoring. Sie begründen dies mit den
aus ihrer Sicht hochgradig problematischen Folgewirkungen der gegenwärtigen Situation.
Seit Juli 2022 werden NIPT auf Chromosomen-Abweichungen von der gesetzlichen Kran-
kenversicherung übernommen, wenn Schwangere dies in Absprache mit ihrem Arzt für
notwendig halten. Diese Tests schätzen die Wahrscheinlichkeit ab, ob ein Kind mit Triso-
mie 13, 18 oder 21 zur Welt kommt, liefern jedoch keine Diagnose, zudem ist nach Ein-
schätzung des Berufsverbandes niedergelassener Pränatalmediziner (BVNP) die
Aussagekraft des Bluttests deutlich geringer als kommuniziert. Die Beauftragten warnen
vor einer möglichen Reihenanwendung dieser Tests ohne ausreichende medizinische Indi-
kation und den damit verbundenen Risiken.
„Die Auswirkungen des nicht-invasiven Pränataltests müssen sorgfältig analysiert werden.
Ich spreche mich - gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Länder - dafür
aus, dass das Monitoring zu den Folgewirkungen der Kassenzulassung unbedingt men-
schenrechtskonform und unter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen ausgestaltet
wird. Denn die Einführung molekulargenetischer Tests als Kassenleistung kann nicht allein
dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorbehalten bleiben. Sie erfordern eine breite in-
haltliche Auseinandersetzung und letztlich auch eine Entscheidung des Gesetzgebers. Die-
ser Diskurs über die weitreichenden ethischen, rechtlichen, sozialen und gesundheitspoliti-
schen Aspekte pränataler Suchtests muss nun endlich geführt werden,“ sagt Jürgen Dusel,
der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
für die Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern.
Die Behindertenbeauftragten betonen, dass die gesellschaftliche Diskussion über präna-
tale Tests auf einem menschenrechtlichen Modell von Behinderung basieren muss. Es
muss verhindert werden, dass pränatale Tests das medizinische Modell von Behinderung
stärken, welches Menschen mit Behinderungen an den Rand der Gesellschaft drängt. Viel-
mehr soll das Recht auf gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit
Behinderungen gefördert werden. Das interdisziplinäre Gremium soll daher auch Vertrete-
rinnen und Vertreter von Menschen mit Behinderungen und deren Familien einbeziehen.
Dies ist unabdingbar für die Entwicklung eines ethisch und menschenrechtlich tragfähigen
Umgangs mit pränatalen Suchtests.
Hier finden Sie das vollständige Positionspapier
Bildbeschreibung: Ein Reagenzglas mit einer Blutprobe wird im Labor hochgehalten.
Foto: Pexels/Karolina Grabowska