Direkt zum Inhalt

Summer School der Uni Münster: "Child Welfare and disability"

17.06.2025
Gruppe der Teilnehmenden/Organisator*innen der Summer School

Es war ein besonderer Ort, den sich das Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Münster für seinen mehrtägigen Workshop mit internationaler Beteiligung ausgesucht hatte:

Der Senatssaal des Münsteraner Schlosses bot die eindrucksvolle Kulisse für die diesjährige „Summer School“. Das Thema lautete:

„Child welfare and disability“. Vier Tage lang beschäftigten sich 15 Studierende und die begleitende Dozent*innen aus Deutschland Österreich und Irland (siehe Namen am Textende) mit Themen rund um das Kindeswohl im Zusammenhang mit Behinderung. Um eine umfassende Sicht aus verschiedenen Perspektiven zu gewinnen, hatte das Orgateam sich an den bbe e.V. gewandt (Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern e.V.) und Peer-Referent*innen gesucht. Als Mitglieder dieses Vereins und zugleich Referent*innen bei den KSL.NRW waren Katja Fellenberg und Christiane Rischer gefragt. Gemeinsam mit Melanie Wegerhoff vom KSL-MSi-NRW erstellten sie eine Präsentation zum Thema. Da sie in diesem Jahr schon mehrere Fachtagungen zum Thema Eltern mit Behinderung durchgeführt haben, bestand die Herausforderung diesmal eher darin, bekannte Inhalte in eine andere Sprache zu übertragen: Die Veranstaltung wurde in englischer Sprache abgehalten.

Referentinnen der KSL.NRW mit zwei der Organisator*innen
Hinten , von links: Katrin Hermsen und Prof. Dr Onno Husen (beide Uni Münster), Melanie Wegerhoff. vorne vl: Katja Fellenberg und Christiane Rischer
vl. Katja Fellenberg, Christiane Rischer, Melanie Wegerhoff und ihre Persönliche Assistenzkraft.

 

Die Aufregung aufseiten der Referentinnen war entsprechend groß-eine Premiere dieser Art lange nach der eigenen Studienzeit lässt wohl niemanden kalt. Selbst wenn alle sich gut in Englisch verständigen können- in der freien Rede fehlen dann hin und wieder vertraute Fachbegriffe, die man im Deutschen täglich selbstverständlich nutzt. Zum KSL-Team in Münster gehörte daher neben den Persönlichen Assistentinnen auch Christian Jurko vom KSL Düsseldorf, der unter anderem zwischendurch mit sehr guten Englischkenntnissen als „Simultanübersetzer“ aushalf.

Bemerkenswert still war es, während die Referentinnen von ihren alltäglichen Erfahrungen als Eltern mit Behinderung erzählten. Wer selbst keine Behinderungserfahrung hat, kann sich viele der Herausforderungen, die sich wegen fehlender Barrierefreiheit ergeben, nicht wirklich vorstellen. Beispielsweise im Rahmen der medizinischen Schwangerschaftsbegleitung:  Nur fünf gynäkologische Praxen, die völlig barrierefrei sind, gibt es in ganz Deutschland. Da kann man nicht von freier Arztwahl sprechen. Das Dilemma setzt sich bei der Wahl einer Kinderarztpraxis fort. Ob man sich dort gut aufgehoben fühlt oder nicht, wird dann zweitrangig. „Wir werden nicht mitgedacht“ meinte Christiane Rischer. 

Und Katja Fellenberg stellte fest: „Natürlich möchte ich am Leben meines Sohnes teilhaben.“ Manchmal sei es für sie mangels Barrierefreiheit aber nicht möglich, mit vor Ort zu sein. Und wenn die Eltern keinen Zugang haben, fällt auch für die Kinder vieles weg, sie werden also ebenfalls behindert.

Melanie Wegerhoff bei ihrem Vortrag
Melanie Wegerhoff bei ihrem Vortrag
Gebärdensprachdolmetscherin und Publikum
Gebärdensprachdolmetscherin übertrug die deutschen Gebärden in englische Lautsprache.

Melanie Wegerhoff vom KSL MSi ist ständig mit dem Thema Kommunikation in verschiedenen Sprachen beschäftigt. Sie verständigt sich innerhalb ihrer Familie mit Gebärdensprache oder der Zeichensprache Lormen. Es war diesmal kein Extra-Problem für sie, ihren Vortrag Deutsch zu gebärden und per (sehr versierter) Gebärdensprachdolmetscherin englisch hörbar zu machen. Für sie bedeutet das Leben als taubblinde Mutter vor allem, dass sie und ihre Familie alles lange im Voraus planen müssen. Sobald es darum geht, persönlich mit Hörenden zu kommunizieren, werden persönliche Assistenz und Gebärdensprachdolmetschung benötigt. Viel Kommunikation erfolgt daher möglichst schriftlich. Beispielsweise in Elterngruppen per WhatsApp. Aber auch hier muss Melanie Wegerhoff hin und wieder darauf hinweisen, dass Sprachnachrichten, Bilder und Videoclips für sie nicht verständlich sind. 

Beim anschließenden Austausch interessierten sich die Zuhörenden besonders für die Möglichkeiten des Persönlichen Budgets, das in Deutschland unter anderem die Umsetzung von Persönlicher Assistenz (sie kann sowohl im Arbeitgebermodell als auch im Dienstleistungsmodell genutzt werden) ermöglicht. Mit diesem Modell können Menschen mit Behinderung ihren Unterstützungsbedarf in nahezu allen Lebensbereichen organisieren und ein Höchstmaß an Selbstbestimmung erreichen. Sowohl in Irland als auch in Österreich gibt es ebenfalls Formen des Persönlichen Budgets. Sie sind aber bei weitem nicht so umfassend wie hierzulande. 

Teilnehmerin

Dr. Rahel More während des Austauschs
Im Anschluss an die Vorträge wurden Besonderheiten der Teilhabe in den verschiedenen Ländern beispielhaft verglichen (li: Studierende, oben: Dr. Rahel More, re: Prof.Dr. Eßer.

In Österreich beispielsweise können Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten noch kein Persönliches Budget beantragen. In Irland gibt es zwar ein Persönliches Budget, es ist aber nicht besonders bekannt und seine Beantragung kompliziert. 

Hier ähneln sich die Situationen über die Grenzen hinweg. Dass es in Deutschland auch nicht einfach ist, seine Bedarfe zu decken, machte Melanie Wegerhoff deutlich: Der Bedarf muss sehr genau begründet werden. Wenn sie und ihre Familie Freunde besuchen, wohnen diese eher nicht in der (hörenden) Nachbarschaft. Also muss für Besuche bei Freunden die Arbeitszeit und die Unterkunft der Assistenz finanziert werden. Da Kommunikationsassistenz jeweils einzeln gebucht und bezahlt werden muss bedeutet Soziale Teilhabe auch einiges an bürokratischem und zeitlichem Aufwand für sie persönlich. 

Katrin Hermsen, Eva von Koolwijk und Prof. Dr. Onno Husen von der Uni Münster als Veranstaltende bedankten sich im Nachhinein für den Beitrag der KSL.NRW zur Summer School. Prof Dr Husen fand das Gehörte sowohl informativ als auch berührend und inspirierend. 

Die Studierenden waren ebenfalls merkbar beeindruckt und selbst wenn sie derzeit noch nicht im Themengebiet arbeiten, wird die Summer School sicher langfristig auch auf ihre Sicht auf das Thema „Child welfare and disability“ Einfluss haben. Eine Studierende, die aktuell an der Planung eines inklusiven Spielplatzes in Münster mitwirkt, will sich mit dem KSL Münster in Verbindung setzen, um auch Eltern mit Behinderung in die Planung einzubeziehen.

 

Die beteiligten Dozent*innen und Mitorganisator*innen der Summer School 2025:

  • Professor Dr. Onno Husen, Katrin Hermsen und Eva van Koolwijk von der veranstaltenden Universität Münster
  • Professor Dr. Florian Eßer von der Universität Osnabrück
  • Dr. Rahel More von der University of Graz, Österreich
  • Professorin Dr. Susan Flynn, und Rose Doolan Maher vom Trinity College Dublin, Irland

Das Foto zeigt die Teilnehmer*innen, Referen*innen des Tages und Organisator*innen vor dem Münsteraner Schloss, wie sie gebärdensprachlich applaudieren: eine Geste, die vielen vorher noch unbekannt war.